Liebe Freunde,
Ein neues Jahr, neue Geschichten
In dem Moment, in dem ich beginne, ein Resümee des vergangenen Jahres zu schreiben, merke ich, dass ich mir auch selbst viel zu erzählen habe und nur die Ereignisse wieder in mein Bewusstsein gelockt werden müssen. Ich hoffe, dass die kommenden Geschichten nicht nur für mich interessant und unterhaltsam sind.
Die Faszination und Herausforderung durch KI
Es gibt das Thema KI, das mich und sicher auch Euch im letzten Jahr besonders beschäftigt, angesprochen, überrascht und natürlich auch besorgt hat. Bei Gesprächen mit Freunden diskutieren wir immer wieder über die erkennbare Unfähigkeit von KI, sachlich gut begründete und belastbare freie Entscheidungen zu treffen. Aber wenn ich mir jetzt vor Augen führe, was ich in der letzten halben Stunde eigentlich gemacht habe, dann habe ich aus einem, von meinem Bewusstsein nur oberflächlich anzuritzenden, riesigen Pool von Erlebnissen und Erfahrungen ein paar Dinge ausgewählt, um sie hier anzumerken. Ich merke dabei aber auch, dass ich selbst die Entscheidung, was ich Euch schreibe, überhaupt nicht frei treffe. Die Kriterien nach denen Inhalte hier ausgeführt werden haben sich durch ähnliche Erlebnisse und Aufgabenstellungen irgendwann gebildet und werden beim nächsten Brief durch Rückmeldungen von Eurer Seite wieder geändert werden. Das wird dann auch wieder weitgehend unbewusst erfolgen. Bewusstsein spielt eine Nebenrolle.
ChatGPT und Perplexity
Die uns allen zur Verfügung stehenden Tools wie ChatGPT oder Perplexity nutze mittlerweile nicht nur ich intensiv, sondern auch zunehmend meine Freunde und Bekannten, die diese vor kurzem noch niemals hätten verwenden wollen. Noch vermissen sie in den Systemen Entscheidungsfreiheit, Kreativität, Mitgefühl, Nachhaltigkeit – also die ersehnten Tugenden unserer heutigen Zeit. Aber wer von den meisten Nutzern vermisst diese Fähigkeiten bei ChatGPT eigentlich noch angesichts der verblüffend guten Zusammenfassungen von Protokollen, überzeugenden Bewerbungsschreiben, wunderschönen Kindermärchen, großartigen musikalischen Kompositionen, fantasievollen Bildern und überzeugenden Drehbüchern aus vielleicht sogar langweiligen Geschichten? Ja – nach etwa zwei Jahren rasant steigendem Einsatz sind immer noch die Fehlerquote und das Auftauchen von Halluzinationen ärgerlich. Dabei ist das System jedoch schon jetzt in der Lage, sich sogar zu entschuldigen, wenn eine etwas abweichende zusätzliche Anfrage eine neue, korrigierte Antwort auslöst. Ich gehe davon aus, dass durch derartige automatisierte Kontrollfragen solche Probleme wie Halluzinationen frühzeitig ausgefiltert werden und in Zukunft keine Rolle mehr spielen werden.
Die persönliche Seite der KI-Nutzung
Diejenigen, die ohne ChatGPT kein Bewerbungsschreiben abschicken könnten und die sonst keine herzzerreißende oder beruhigende Geschichte vorgelesen bekommen würden, erleben KI als unglaublich schlau, hilfsbereit, unendlich geduldig und schrittweise jetzt schon äußerst persönlich, wenn ChatGPT die Gelegenheit bekommt, viel über uns und unsere Probleme sowie Hoffnungen in Erfahrung zu bringen.
In fünf Jahren wird sich keiner mehr so viel Zeit für alleinstehende Menschen nehmen, um mitfühlende, tröstende oder Mut machende Gespräche zu führen, wie die dann ansprechbaren KI Programme. Wer das nicht glaubt, möge ChatGPT doch einmal um ein paar liebe Zeilen zum Geburtstag eines guten Freundes bitten und der Anfrage persönliche Fakten wie gemeinsames Studium, Informationen über Hobbies etc. hinzuzufügen. Schon diese geringen Ergänzungen mit Namen, Orten und Urlaubsinformationen führen dazu, dass wir mehr als verblüfft sind. Wenn ChatGPT die Möglichkeit bekommt, schrittweise viel mehr von uns zu erfahren, weil wir es im Gespräch einfließen lassen, wird es mehr über uns wissen als unsere Kinder oder Ehepartner, die doch nicht beliebig lange zuhören.
Veränderte Kommunikation und Selbstdarstellung
Ich bemerke jetzt schon, dass ich in fachlichen oder sachlichen Bereichen eher ChatGPT anklicke, als die langsamen und unvollständigen Auskünfte meiner fachkundigen Kollegen und Freunde abzuwarten. Ich muss damit rechnen, dass in Zukunft noch weniger Zeitgenossen auch von mir Ansichten, Informationen etc. abfragen werden. Vielleicht ist dies der letzte Brief, den ich noch selbst schreibe und hoffen kann, dass er Euren Ansprüchen genügt. Wenn nicht mehr, dann ist das ja kein Verlust an Kommunikationsniveau, sondern genau das Gegenteil. Ich wäre dann selbst nicht mehr in der Lage, interessante oder wichtige Dinge so interessant in Worte zu fassen, wie wir es dann aus KI-Quellen gewohnt sind.
Persönliche Projekte und die Konkurrenz durch KI
Ich habe dieses Jahr fünf Patentanmeldungen eingereicht und immerhin eine PCT-Anmeldung auch schon positiv verabschiedet bekommen. Ich war in diesem Jahr auch deshalb bewusst so fleißig, da ich davon ausgehe, dass die verschiedenen Themen, an denen ich seit Jahren gearbeitet habe, in Kürze von KI besser überblickt, analysiert und kombiniert werden, als ich das kann. So habe ich jetzt noch die Chance, wenigstens bei einigen Fragen als Erster auf Lösungen gekommen zu sein.
Für mich ist die Klärung der Neuartigkeit das wesentliche Motiv und damit verbunden die weltweite Veröffentlichung. Eine kurzfristige wirtschaftliche Nutzung wäre erfreulich, erfordert aber einen für mich zu großen Aufwand. Wenn die Gedanken gut waren, werden sie auch irgendwann umgesetzt.
Bildungseliten in Erklärungsnot
Menschen, die von ChatGPT in Bereichen unterstützt werden, die sie nicht überblicken und bei denen sie auch nicht wissen, wie sie bestimmte Sachverhalte lösen können, zweifeln nicht mehr an dem Ideenreichtum und der Kreativität des Systems.
Also, wer zweifelt noch? Nur die, die in ihren Interessen oder Fachgebieten „besser“ sind – die Bildungseliten, die ihre Unersetzlichkeit natürlich auch nicht gerne infrage gestellt sehen wollen.
Derartige Zweifel sind ein selektives Elitenproblem. Von denen werden sicher noch eine Zeit lang Zusammenhänge als nicht korrekt oder unvollständig dargestellt angesehen werden. Ein geschichtlich interessierter und belesener Mensch kann mit Beiträgen und detaillierten Informationen über die Französische Revolution und der Einbindung griechischer sowie europäischer Philosophen durchaus den Eindruck höchster Bildung und Intelligenz bei denen hinterlassen, die ihm wiederum die momentane Tabelle der Bundesliga genau erklären können. Was beide liefern, scheint auf eigenständiges, freies Denken zurückzuführen zu sein. In Wahrheit ist es jedoch eine Kombination von Informationen und Schlüssen, die mit etwas anderen Bausteinen schon mehrmals vorher erlebt und innerlich abgelegt wurden.
Kreativität und Empathie: Menschlich oder nur Simulation?
Wie weit diese Kreativität aus „nüchternen erarbeiteten Zusammenhängen“ besteht, zeigt sich beispielsweise an der Aufforderung an ChatGPT, eine Liebesgeschichte zwischen einem Eiswürfel und einer Zitrone in einer Tiefkühltruhe zu erzählen. Was dabei wiederholt herauskommt, rührt fast zu Tränen. Die darüber von ChatGPT erzählten Geschichten sind immer wieder neu, und es ist schwierig, für diese absurde Konstellation und Lokalität irgendwo ein Vorbild zu finden. Offensichtlich werden dabei Dinge miteinander in Verbindung gebracht, die nicht naheliegend, aber auch nicht zufällig zusammen diese süße Geschichte formen. Für mich ist ChatGPT dabei sehr kreativ und schafft es sogar, Empathie glaubhaft zu simulieren. Aus dieser Erfahrung komme ich eher zu dem Schluss, dass unsere Selbstwahrnehmung bezüglich Kreativität und Einfühlungsvermögen etc. etwas zu wohlwollend ist.
Vielleicht beginnt Kreativität immer dann, wenn wir den Weg dahin nicht mehr nachvollziehen können und nicht erkennen, dass die gefundenen genialen Überlegungen oder Formulierungen durchaus sehr konkrete Wurzeln haben, die mit ausreichendem Aufwand in ihrer Logik nachempfunden werden könnten. Ich würde so weit gehen, zu sagen, dass es Kreativität nicht gibt, wenn man mehr damit meint als eine Neuanordnung von komplexen Sachverhalten. Dabei sind für viele Menschen Sachverhalte schon komplex, bevor sie für andere unüberschaubar sind. Verblüffend ist dabei, dass ChatGPT durchaus in der Lage ist, genau die Empfindungen bei uns auszulösen, die bei einer Liebesgeschichte erwartet werden. Auch Traurigkeit kann in allen Facetten durch die Nutzung passender Begriffe und Verknüpfungen ausgelöst werden.
Was bedeutet echte Empathie?
Hat KI damit Empathie, oder simuliert sie diese nur? Wenn Letzteres, dann würde sie sich allerdings in bester Gesellschaft befinden, denn außer bei Personen oder Lebewesen, zu denen wir wirkliche Nähe empfinden, ist die üblicherweise von uns gezeigte Empathie die angelernte Erfüllung einer Erwartung. Emotionale Betroffenheit, ob positiv oder negativ (Liebe und Hass), kann ohne große intellektuelle Leistung vielfältig getriggert werden. Das gelingt gerade bei Menschen besonders intensiv und heftig, die ihren Reaktionen noch nicht oder nicht mehr eine gedankliche Bearbeitung voranstellen. Empathie ist daher sicher keine intellektuelle Glanzleistung, sondern eine biologische Ergänzung unseres Verhaltens mit Wurzeln, die schon bei Wirbeltieren vor Millionen von Jahren zu finden waren. Die Wut einer Biene, wenn wir ihr den Honig stehlen, überlagert auch bei ihr das nüchterne Kalkül darüber, was jetzt eigentlich am vernünftigsten wäre. Das emotionale Verantwortungsgefühl einer fütternden Blaumeise ist ebenfalls direkt an das Alter der Jungen gekoppelt.
Empathie ist kein Element, mit dem wir KI diskreditieren können. Sie ist eher etwas, das an der menschlichen Intelligenz immer wieder berechtigte Zweifel aufkommen lässt.
Der Glaube an Bildung und Kultur: Ein bröckelndes Fundament?
Unglücklicherweise macht mir die Nutzung von ChatGPT schonungslos klar, wie sehr der Glaube an uns selbst und unsere Bildung und Kultur davon abhängt, in welcher Umgebung wir uns bewegen. Wer es ertragen kann, könnte heute schon feststellen, dass mit erworbenem Fachwissen kaum noch Punkte zu machen sind. Das von uns mitgetragene Wissen kann vor unser Ankunft schon aktualisiert und strukturiert aus dem Internet abgefragt worden sein.
Die Bildungseliten sollten sich auch darüber im Klaren sein, dass ein Rechtsanwalt nur ausnahmsweise Durchblick in Astronomie, Halbleitertechnik oder griechischer Geschichte hat. Eliten sind wir deshalb immer nur in Bereichen, die wir selbst als relevant erleben und bei denen wir gegenüber den Unwissenden einen Informationsvorsprung haben. Um auch selbst an dieses wohltuende Gefühl des Bildungsbeflissenen glauben zu können, dürfen wir nicht zu aufmerksam nach oben schauen, da dort sicher noch jemand ist, der uns auf unserem Fachgebiet alt aussehen lässt. Es wird jetzt schrittweise und peinlicherweise klar, dass wir deshalb auch riesige Wissensgebiete ausklammern, um nicht überwiegend als mittel bis schlecht orientiert dazustehen. Wir tauschen uns deshalb auch bevorzugt im Freundeskreis mit den Zeitgenossen aus, die die gleichen Interessengebiete und Ausbildungen haben.
Im privaten Lebensbereich ist das besonders auffällig. Enge Beziehungen pflegen Kunstliebhaber, Opernenthusiasten, Segelyachtbesitzer und Liebhaber von Briefmarken, alten Autos und exotischen Schlangen fast ausschließlich mit Gleichgesinnten. Selten kann ein Kenner klassischer Musik bei einem Begeisterten des Motorsports Interesse auslösen, das über Höflichkeit hinausgeht.
Es ist mittlerweile zunehmend peinlich zu erleben, wie andere und leider ich selbst immer wieder Halbwissen in den Ring werfen und Aussagen machen, die bisher noch nachsichtig im Raum stehen blieben, obwohl es schon zunehmend passiert, dass jemand auf dem iPhone nachgefragt hat und sich das Gesagte als Blödsinn erweist. Der Griff nach der „Wahrheit“ wird zunehmen, und die Beiträge aus dem Graubereich des Halbwissens und des „Gehörten“ wirken immer weniger überzeugend und werden auch immer seltener für Aussagen genutzt.
Wenn es uns gelingt, durch die neuen Hilfsmittel die Wissensunterschiede zu verringern und Aussagen zu treffen, die wesentlich wahrheitsgemäßer sind, stellt sich die Frage: Ist das ein Nachteil oder ein großer Vorteil?
Aber neben KI gab es dieses Jahr auch viele andere Erlebnisse.
Danielas Geburtstag in Venedig
Das Jahr begann mit der großartigen Geburtstagsfeier von Daniela in Venedig. Damit waren sehr viele Erlebnisse verbunden, über die zu schreiben den Rahmen sprengen würde. Immerhin konnte ich mich bei dieser Veranstaltung als Künstler präsentieren, was auch eine herrliche Selbsterfahrung war. Ich habe nicht versucht, KI um eine grau-weiße Abbildung von Kaiser Augustus in vier Abstufungen auf einem Bild von Girke mit reiner Besenstruktur in drei horizontalen Lagen übereinander zu bitten, da ich doch noch zu ihrem 60. Geburtstag etwas scheinbar Eigenes schaffen wollte. Ich bin mir sicher, dass bald derartige Ideen von KI innerhalb von Sekunden geliefert werden.
Eindrucksvolle Einblicke in Usbekistan
Ich bin danach alleine mit einer Reisegruppe und einem kleinen Orchester aus Frankfurt nach Usbekistan gefahren. Das Land hat mich sehr verblüfft. Die Stadt Taschkent überraschte durch ihre Wolkenkratzer, großartigen Stadtpaläste, blitzblanken modernen Straßen und einheitlich weißen modernen Autos, mit Luxusgeschäften und entspannten freundlichen Bürgern. Eine Stadt, die all die Probleme nicht mehr oder noch nicht hat, mit denen sich sonst die Welt herumschlagen muss.
Die Fahrt mit der schnellsten High-Tech-Bahn der Welt zu den beiden großartigen Städten Buchara und Samarkand war ebenfalls ein großes Erlebnis. Alles, was wir auf unserer Reise gesehen und erlebt haben, hatte nichts mit einem Entwicklungsland und einer verarmten Bevölkerung zu tun. Es ist mir nicht gelungen zu verstehen, wie diese hochmoderne Hauptstadt und die beiden prachtvollen anderen Städte finanziert werden und bei der Bevölkerung auch keinerlei Mängel in Kleidung oder Gesundheit zu erkennen waren. Es kam uns so vor, als ob großzügige ausländische Investoren ein Land so aufgebaut haben, wie es für ihre Familien und ihr persönliches Leben schöner nicht sein kann. Vielleicht ist es ja auch so, und die Kinder in den Schulen und Jugendlichen in den großartigen Universitäten haben Eltern, die in anderen Ländern andere Spuren hinterlassen.
Aashita: Die Weiterbildung
Ich bin später erneut mit Daniela nach Indien geflogen, um Aashita zu besuchen. Bei Aashita hat es weitergehende Veränderungen gegeben. So ist der bisherige Chef und Patriarch Colonel Garcha aus Altersgründen durch eine junge Inderin mit ihrem Mann ersetzt worden. Dies erweist sich mittlerweile als äußerst segensreich, und viele Dinge beleben Aashita und zeigen vollkommen neue Möglichkeiten auf. Bei unserem zweiten Besuch im Herbst wurde ein weiterführendes Programm ins Leben gerufen, in dem die Kinder nach Abschluss ihrer Schulausbildung bei weiteren Ausbildungsschritten unterstützt werden und z. B. ein Studium beginnen können. Das Ganze ist wie eine Studien-Stiftung organisiert, und die Mädchen müssen sich anmelden und bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Letzteres macht es natürlich einfacher, sie in den Schulen zum Arbeiten zu motivieren. Wir sind alle sehr gespannt, wie sich jetzt die „Senior Girls“ entwickeln und wie sich das auch wieder auf die jüngeren Mädchen auswirkt.
Rom-Reise mit Freunden und Orient-Express
Mit Daniela und einigen Freunden haben wir eine einwöchige Reise unter der Führung von Christoph in Rom erlebt. Ich fühlte mich zurückversetzt in die Zeit unserer Schülerreisen, wo wir schon damals bei den kunsthistorischen Schwerpunkten ausreichend Respekt vor den Exponaten zeigen mussten und dazu andächtig und schweigsam unseren Lehrern zuhörten, wie wir hier jetzt unserem brillanten und sympathischen Christoph gefolgt sind.
Daniela hat ein wunderschönes Geburtstagsgeschenk ihrer Kollegen bekommen: eine Fahrt mit dem Orient-Express von Paris nach Rom. Die Reise dauert nur anderthalb Tage. Längere Fahrten nach Istanbul wären auch nicht zu bezahlen. Die damit verbundene Aufgabenstellung war es, sich den eigenen Träumen bzw. Visionen entsprechend angemessen zu kleiden, was uns auch ganz gut gelungen ist. Die Fahrt nach Paris und der eintägige Aufenthalt waren bestimmt durch die unübersehbaren Vorbereitungen für die Olympischen Spiele. Die Fahrt selbst war eine reizvolle Mischung aus engsten Kojen in kleinsten Abteilen mit minimalistischen Waschbecken, aber authentischem Design, wenn man den berühmten Filmen über den Orient-Express Glauben schenken kann, und luxuriösem Speisewagen mit äußerst feudalem Service und einem reizvollen Salon mit Bar mit einem sehr stimmig wirkenden Pianisten an einem Flügel. Die Tage danach in Rom waren so schön wie schon oft vorher.
Gaga-Bewegungskunst im Schloss Elmau
Wir waren zu Beginn des Sommers ein paar Tage in Schloss Elmau, und neben den vielen vertrauten Erfahrungen erlebten wir diesmal etwas sehr Ungewöhnliches mit schrägen und witzigen Elementen. Neben Yoga und Tango wird auf Schloss Elmau eine neue Bewegungskunst eingeführt. Der passende Name für diese tanzartige Verrücktheit ist „Gaga“. Ein kleiner, drahtiger New Yorker Israeli schaffte es, 30 Anfänger (inklusive Dietmar Müller-Elmau und Frau) zu einstündigen stochastischen Bewegungsfolgen zu überreden, bei denen man nicht einmal die Augen schließen durfte, um sich nicht die extrem albernen Verbiegungen und Grimassen der umgebenden Teilnehmer ansehen zu müssen. Ein Stillstand war verboten, sodass man schließlich nach 20 Minuten begann, sich damit abzufinden, das linke Bein anzuheben, gleichzeitig eine Hand auf den Po zu legen und mit der anderen Hand sich selbst an den Ohren zu ziehen, um dann bei ununterbrochener Bewegung die Hand vom Po zu nehmen, um sie sofort in die Hüfte zu stemmen und anzufangen zu galoppieren, jedoch nicht ohne einen Finger der Hand vom Ohr in den Mund zu stecken. Auf solche absurden Konstellationen kommt man nicht selbst und kann sie sich kaum merken, aber der kleine, kernige Tanzlehrer machte es so überzeugend vor, dass man immer mal wieder zwei von vier Gliedmaßen in die vorgespielte Kombination brachte. Richtig schwierig war es bei diesen ganzen Bewegungen, den Unterkörper ununterbrochen kreisen zu lassen, wie es zum Hula-Hopp-Tanzen Voraussetzung ist. Vielleicht war sogar der psychologische Effekt der gegenseitigen visuellen Erschütterung der wertvollste. Nach den 20 Minuten begannen sich nach und nach alle angemessenen Gefühle von Scham oder Peinlichkeit zu verflüchtigen, und für alle mitleidenden Beteiligten ist es seitdem unerheblich, wie lächerlich man sich in Zukunft gegenübertritt. Es hat nämlich allen gemeinsam schließlich einen Riesenspaß gemacht. Im Frühjahr wollten Daniela und ich deshalb sogar eine Woche einen Gaga-Kurs in Elmau mitmachen. Nachdem wir jedoch in Erfahrung gebracht haben, dass auch Gaga bestimmte Bewegungsschritte und Folgen vorgibt, die trainiert werden müssen, stellten wir fest, dass wir das so genau doch nicht wissen wollten und nicht mehrere Stunden am Tag trainieren werden. Ich denke, wir machen eher einmal etwas wahr, was wir schon immer, seit wir zusammen sind, gemeinsam besser lernen wollen: Tango.
Neuseeland: Naturparadies mit Rissen
Über die anderen kurzen und doch auch längeren Reisen jetzt hier zu berichten, würde dazu führen, dass sich das Schreiben der Neujahrsgrüße noch weiter hinziehen würde.
Im Augenblick hänge ich mit dem Kopf nach unten in Neuseeland, und Daniela und ich bereisen das Land und erleben wunderschöne Regionen und Bilder, wobei wir allerdings erschrocken sind, wie fast vollständig das Land abgeholzt und durch Weideland ersetzt wurde. Dort, wo man wieder aufgeforstet hat, wurde eine armselige, wildtierlose Monokultur geschaffen, die der reinen Holzproduktion dient und sonst nichts. Die verbliebenen Nationalparks sind eindrucksvoll, aber beim Überfliegen des Landes wird erkennbar, wie zerrissen und dürftig die verbliebenen Teile sind. Auffallend ist, wie wenig verschiedene Insekten, Vögel und höhere Wirbeltiere hier leben. Das gilt natürlich nicht für Unmengen von Kühen und Schafen und sogar Rothirschen, auf die hier auch jeder durchgehend das ganze Jahr über Jagd machen kann. Bei den von den Einwanderern mitgebrachten „Fremdlingen“ wird ausdrücklich darum gebeten, sie zu erlegen, um jetzt nachträglich die letzten biologischen Besonderheiten des Landes zu beschützen und zu bewahren. Wir können davon ausgehen, dass allerdings die Wasserwelt um das Landherum nahezu unberührt ist und noch die ganze ursprüngliche Vielfalt zeigt. Zu den Menschen können wir sagen, dass sie ausgesprochen hilfsbereit und freundlich sind und nicht nur im Aussehen alle Dinge wesentlich gelassener sehen, als wir das aus Europa kennen, wobei sich das allerdings auch hier in jüngerer Zeit zu ändern beginnt. Diese Gesellschaft hier ist zunehmend gespalten, und neben den besonders lässig gekleideten, mit flächendeckenden Tattoos geschmückten Neuseeländern und einem für mich schwer verständlichen Englisch gibt es noch eine Schicht, die in Queen’s English und Great-Empire-Outfit Ahnungen von der Vergangenheit aufkommen lässt. Das Land scheint sich im Augenblick jedoch in der Frage der Haltung zu den Ureinwohnern zu spalten. Wie wir im Landesmuseum lesen konnten, gab es im 19. Jahrhundert einen von der Queen unterschriebenen Vertrag zwischen den Māori und den Einwanderern, der diesen ein uneingeschränktes Eigentum an ihrem Land zusprach und nur gegen Ankauf einen Landübertrag zuließ. Der Schönheitsfehler war, dass die Einwanderer einseitig den Verkaufspreis bestimmen konnten und bei der Inanspruchnahme keine behördlichen Entscheidungen abgewartet wurden. Heute hat ein Teil der europäischen Einwanderer daher ein schlechtes Gewissen, und in vielen Bereichen kommt man den Māori entgegen, die 15 % der Bevölkerung ausmachen. Es kommt uns so vor, als ob sich erwartungsgemäß die Landbevölkerung mit Wiedergutmachungsaktionen sehr viel schwerer tut als die Städter. Einige Neuseeländer klagen darüber, dass durch das Hervorheben und Gleichstellen der māorischen Sprache und die enorme Ausweitung der Benamung und wahrscheinlich auch Auflagen bei der Besetzung von Stellen es zu einer Spaltung der neuseeländischen Gesellschaft kommen wird. Auch Neuseeland hat also grundsätzliche Probleme bei der Realisierung einer harmonischen Gesellschaft, was man 12.000 km von Europa entfernt nicht ahnt.
Etwas scheint jedoch die neuseeländische Bevölkerung zu einen, und das ist der Respekt vor Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Überall sind Warnhinweise und Anweisungen ausgehängt, was zu tun und zu unterlassen ist, wenn es zu Tsunamis, Erdbeben und Ascheregen kommt. Wir haben die Stadt Napier besucht, die 1931 vom Erdbeben zerstört wurde und bei dem 260 Menschen ums Leben gekommen sind. Bei der sehr ausführlichen Schilderung über die Tragik, der die Stadt zum Opfer gefallen ist, fiel mir jedoch das Schicksal meiner Eltern ein, die zum Teil mehrmals im Krieg ausgebombt wurden und bei denen, wie in Hamburg, 34.000 und in Dresden 100.000 Zivilisten in einer Nacht umkamen. Alle deutschen Großstädte sind mit Hunderttausenden Toten Opfer humanoider Kriege geworden und können damit schon mit naturbedingten Katastrophen mehr als mithalten.
Dabei fällt mir aus den unmittelbaren Nachrichten ein, dass neben den schrecklichen Opfern an Soldaten in der Ukraine erstaunlicherweise der Anteil an Opfern unter der Zivilbevölkerung nur Bruchteile davon erreicht. Alle Kriege in Vietnam, Irak, Gaza, Libyen, Libanon waren in dieser Hinsicht tragischer. Wenn es weiterhin Kriege geben sollte, wäre diese Entwicklung wenigstens beruhigend. Zivile Opfer gibt es ja in einigen Ländern auf eine ganz andere Art genug, und die 700.000 Toten in zehn Jahren in den USA durch das Rauschmittel Fentanyl und 25.000 Opfer jedes Jahr durch zivile Schießereien verweisen auf einen schlimmen Aderlass aus noch weniger vertretbaren Gründen. Seltsamerweise scheint es den USA so beschämend zu sein, dass dieser wahnsinnige Verlust an Menschenleben kaum thematisiert wird.
Ausblick auf das kommende Jahr
Auch wenn ich diese Überlegungen zu Beginn des Jahres nicht verdrängen kann, versuche ich mich doch für das kommende Jahr auf schöne und aussichtsreiche Entwicklungen zu freuen. Vor allem im privaten Umfeld sollte es so weitergehen, wie es bei Daniela, meinen Kindern und mir möglich zu sein scheint.
Im vergangenen Jahr waren alle meine Kinder sowohl in Frankfurt als in Schmallenberg und haben eine wunderschöne Zeit verbracht. Es ist sehr gut, dass wir diese Paradiese haben und ich hoffe, dass die Planungen in diesem Jahr ähnlich sind.
Daniela sucht noch immer eine Wohnung in Rom und will wieder die italienische Staatsbürgerschaft, um die Grundlage für eine zweite Karriere als consigliere in Italien zu legen (mit 60 fängt man dort erst an).
Bei meinen Töchtern ist das empfundene Glück natürlich an die Entwicklung und das Schicksal der Kinder gekoppelt. Das wird auch so bleiben, wie ich es bei mir erlebe. Amelie bringt sich nach wie vor in vielen Bereichen gleichzeitig ein und kümmert sich neben Schauspielerei, Synchronsprechen, Vertrieb von individuell gestalteten Artikeln und dem Schreiben von Kinderbüchern noch hingebungsvoll um ihre Tochter Lea, die immer lustiger und lebendiger wird.
Oskar scheint die Schallmauer zum Olymp der Drehbuchautoren durchbrechen zu können. Allerdings wäre das bei der momentanen Wertschätzung in der Vergangenheit keine Frage gewesen – in der heutigen unsicheren Zeit werden Projekte jedoch unvermittelt aufgegeben oder verschoben. Ich bin bei den Dreien aber optimistisch, dass sie mit allen Forderungen umgehen können.
Bei Amelie, Sebastian, Lenia und Björn sieht es ähnlich aus. Lenia ist sehr sportlich, musikalisch und gut in der Schule. Björn hat immer noch die Strategie, Aufmerksamkeit und Zustimmung durch eigenes akustisches Durchhaltevermögen erzwingen zu wollen, und lässt damit schon ahnen, dass sich ein durchsetzungsfähiger kleiner Mann entwickelt. Sebastian entlastet Amrei in bewundernswerter Weise, die zunehmend für die Universität Tübingen wie eine Außenministerin durch die Welt reist. Meine Mutter war in meiner Kindheit beruflich ebenfalls sehr stark in Anspruch genommen, und wir hatten bei weitem nicht eine so gute und liebevolle Betreuung, wie sie sie durch Sebastian haben, der auch noch den Ausbau des neu erworbenen Hauses weitertreibt.
Bei Adrian und Pat geht es auch weiter voran, und Adrian betont immer wieder, wie glücklich er mit seiner Angetrauten ist und wie ihm das auch in seinem Studium und bei seinen Jobs geholfen hat. Er hat gerade in Schmallenberg über die Weihnachtstage seine Bachelorarbeit abgeschlossen. Diese wird sicher sehr gut bewertet, wie ich mittlerweile seine Maßstäbe kenne. Ich bin auch sehr beeindruckt, wie Adrian neben seinem Studium ununterbrochen als Werkstudent in verschiedenen Unternehmen gearbeitet hat. Er wird sein Studium nach dem Master mit beträchtlicher Berufserfahrung abschließen was auch mit hervorragenden Zeugnissen dokumentiert ist. Dass er dabei auch durchgehend selbst Geld verdient hat, ist auch nicht selbstverständlich und eine großartige Leistung.
Ich selbst habe mir vorgenommen, alle Erfindungen dieses Jahr endlich im Internet freizuschalten und all die Inhalte, an denen ich in den letzten Jahren so viel gearbeitet habe, zu veröffentlichen. Das beginnt mit meinem Konzept, wie wir die Erwärmung der Erde vermindern können, den ich schon vor drei Jahren bei einem Kongress der DGLR vorgetragen habe. Danach folgen meine Patentanmeldungen zur Brandbekämpfung, zur Gasspeicherung (Wasserstoff), Wasserstoffbetankung, Wellenkraftwerk und einem neuen Verfahren zur Energiespeicherung. Zu allen Entwicklungen gibt es ausführliche, aufwendige Animationen. Bisher hätte das Freischalten im Internet das Anhalten anderer Projekte bedeutet, und das kann man als Erfinder einfach nicht. Die größte Gefahr für das Abschließen einer Erfindung ist, dass eine neue dazwischenkommt. Ich muss auch erneut auf die Greifertechnologie verweisen, die aus meiner Sicht erst den umfassenden Einsatz von automatisierter „händischer“ Arbeit in Industrie und Haushalt möglich machen wird.
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Brief an meine Freunde, die mir auf Grund von CORONA zu meinem 70. Geburtstag lediglich schreiben konnten.
Liebe Freunde,
Vielen Dank für die freundlichen Kommentare zu dem 70-jährigen, der, wie so Vieles in der momentan herrschenden Virtualität, real nur schwer erreichbar ist. Eine gewisse Verklärung scheint in solchen unwirklichen Zeiten offenbar unvermeidlich. Die Beiträge zu meiner Person wären Auge in Auge so nicht passiert. Ich habe mich wenig erfolgreich bemüht bei der Beschreibung des Lobgepriesenen Übereinstimmungen mit mir zu finden. Neben einem unbestrittenen Unterhaltungswert darf ich sie nachsichtig, als nicht nur realitätsfern wahrnehmen.
Ich vermute, dass ich offensichtlich eine Vielzahl von Signalen abgebe, die, da schwer zu interpretierbar, erst einmal in einer wohlwollenden Wahrnehmung endeten. Ich weiß nun, dass es mindestens weiterer 20 Jahre bedarf, um da Einiges der Wahrheit wieder anzunähern. Also ein unabweisbarer Auftrag sich in der weiteren Zukunft mehr aufeinander einzulassen, um etwas von dem wahr werden zu lassen, was von Euch liebevoll als denkbare Persönlichkeitsentwicklung vorweg genommen wurde.
Jetzt lasst mich aber den „Spieß“ umdrehen. Wer hat mich da versucht in Begriffe und Worte zu fassen, um mir zumindest soziale Verträglichkeit zu konstatieren? Eine generelle Betrachtung der Lobpreisenden ist sicher nicht richtig und sinnvoll. Immerhin verbindet aber ein großer Teil von Euch Beglückwünschern Einiges. Ich empfinde bei einer ganzen Reihe von Euch Nähe und Gleichklang. Bei anderen spüre ich reizvolle Leidenschaften oder beobachte Lebenshaltungen, die ich als spannend, provokant, traurig, anregend und immer mal wieder auch wirklich schrecklich erlebe.
Vor etwa 20 Jahren bin ich in Eure Welt eingetreten, die sich von meinem damaligen Kosmos sehr unterschied. Vielleicht nicht zufällig begann dieser Lebensabschnitt ausgerechnet in Schloss Elmau – meiner 2. Heimat, die seit meiner Kindheit die einzige örtliche Konstante geblieben ist. Ich kam dort in Kontakt mit Euch, einer Gruppe von jungen Leuten, die vor allem dadurch auffielen, dass sich Eure Gesprächsinhalte nicht auf die schon überwältigenden Besonderheiten der Elmau und der Bergwelt um den Wetterstein beschränkten. Diese Kulisse brauchtet Ihr, um in Planungen weit darüber hinaus zu gehen. Es sollte sich bei Euch später als recht einheitliches Muster herausstellen, dass Ihr Euch immer wieder Aufgaben vornehmt, die Eure bisherige Vorhaben erkennbar übertreffen. Also niemals ein Ende sehen, um so nicht zu schnell am Ende zu sein. Das war für mich eine faszinierende Beobachtung, da ich so auf unbescheidene Zeitgenossen traf, die noch nicht einmal wussten, dass es Grenzen gibt. Auch ich kannte persönlich Maßlosigkeit in den Erwartungen an morgen– allerdings bezog sich das auf meine technischen oder wissenschaftlichen Arbeiten und ich war so im Lustbarkeitsanspruch ausbaufähig.
Es gab oft konfliktarme Gesprächsinhalte wie z.B. geplante oder getätigte Reisen. Diese waren aber schon in ihren Ansätzen derart fesselnd, dass keine Gefahr bestand, sie als Ersatzgesprächsstoff unwichtig zu nehmen. Es wurden dabei alle Örtlichkeiten auf diesem Planeten in diesen Planungsgesprächen daraufhin abgeklopft, ob sie als weiterer Schritt bei der optimalen Ausgestaltung des eigenen Schicksals angemessen wären. Selbst Höhenbegrenzungen von 8000 m waren kein Tabu. Viele von Euch, die ich kennenlernen durfte, unterwarfen sich dazu immer wieder beruflich einer kompletten Fremdbestimmung, um danach um so ungebremster alle Freiheiten auszuprobieren, die dadurch finanzierbar geworden waren. Dazu kam eine gewisse Geschicklichkeit nur ein soziales Umfeld zuzulassen, das dabei nicht unnötig? bremste.
Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, nachzuvollziehen, warum auch Theater, Konzerte und vor allem Bayreuth eine übergroße Bedeutung bei der Gesprächswahl in Eurem gesellschaftlichen Umfeld hatte. Als selektiv streitwilliger Zeitgenosse, musste ich schnell lernen, dass in dem sehr heterogenen Kreis um Daniela, nur bei großer Disziplin intensiv geführte Streitgespräche vermieden werden konnten. Wie ich lernen durfte, kam Bayreuth dabei eine besonders große Bedeutung zu, da fast jeder von Euch, irgendwann in den letzten Jahren dort war und deshalb niemals ratlos zuhören mussten. Als jemand der altersbedingt zwischen den älteren Senioren und den meisten von Euch angesiedelt ist, war mir eine solche diplomatische kluge Haltung eigentlich unbekannt und gewöhnungsbedürftig. Die Freundschaften zu Euch, die ich damals zum ersten Mal traf, bestehen aber bis heute und sind offensichtlich nicht von meiner Seite durch ungefragte Stellungnahmen zu Vielerlei gefährdet worden.
Die Schwerpunkte meiner Frankfurter Selbstverwirklichung habe ich anfangs auf meine überschaubaren Fähigkeiten als Koch verlagert. Leider führte das dazu, dass ich dem Jubel in höchsten und tiefsten Tönen über meine vorbildlosen kulinarischen Entgleisungen, die falsche Botschaft entnahm. Erst nach einem Anwachsen der betroffenen Teilnehmer innerhalb von mehreren Jahren von 6 auf 20, war die Wahrheit nicht mehr zu verbergen: Ihr seid nicht wegen des Essens gekommen, sondern trotzdem.
Neben meinen späteren Bemühungen auch als Sänger meinen künstlerischen Beitrag einzubringen, war dies die erste sachlich gerechtfertigte Ablehnung meiner Versuche in Eurer Welt Nischen zu finden, in denen ich mich ausprobieren konnte.
Wenn sich eine neue Welt öffnet, kann es passieren, dass die Lichtpunkte der vorherigen, eigenen Welt nur wenig Bedeutung in der neuen Welt haben. Ich wurde zwar immer mal wieder auch gefragt, was ich eigentlich beruflich mache. Mir gelang es nie und sicher hier auch heute nicht, das in einer zumutbaren Zeit so zu vermitteln, dass von dem Interesse an einer Antwort überhaupt etwas übrig bleibt. Es ist für mich als Erfinder ausgesprochen schwer zu erklären an welchen der 7 parallel laufenden Ideen und dann noch in unterschiedlichen Entwicklungsstadien ich gerade arbeite. Also etwas spontan abzuliefern, dass inhaltlich noch richtig ist, oder wenigstens nicht langweilt. Da hätte ich mir manchmal Inhalte gewünscht, bei denen nicht nur die juristische Frage übrig blieb, ob ich das eigentlich als Patent angemeldet hatte. Also blieb es von meiner Seite häufig beim Luftholen.
Es ist war bisher ein großes gemeinsames Schauspiel an dem wir Alle teilnahmen aber irrtümlich glaubten an der Regie maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Ein Theaterstück bei dem wir immer noch davon ausgehen, dass der Eintritt nichts kostet und in dem wir unsere Rollenwechsel oft nicht bemerken und die bestenfalls dahin führen, dass wir nicht als tragische Figur enden. Die besonderen Höhepunkte in dieser tragischen Komödie waren die Episoden, in denen Ihr bei mir und ich bei Euch eine Rolle spielte. Manchmal war die Besetzung vorhersehbar und wir hatten sogar die Vorfreude und manchmal die Überraschung gemeinsam in diesem Film zu spielen. Diese schönen Begegnungen, bei denen wir als Kollegen nicht selten vom Drehbuch überrascht wurden, haben dazu geführt, dass wir kaum nach Neubesetzungen verlangt haben. Das heißt auch bei dem Übergang in ein neues Kapitel seid und werden wir zusammen sein. Die Bitte an den geheimen Regisseur und Drehbuchautor sind in Zukunft noch weniger Längen zuzulassen, Beliebigkeiten zu vermeiden und sich auf die Dinge zu konzentrieren, die uns wirklich am Herzen liegen. Und dazu gehört Ihr. Dabei ist wichtig, dass wir weniger durch die Erwartungen an unsere Rolle, Ansichten und Interessen eingeengt werden, sondern freizügig alle Facetten (die vorzeigbaren) von uns ins Spiel bringen. Vielleicht überraschen wir uns mit Fähigkeiten und interessanten Eigenarten, die wir vorher nicht wahrgenommen haben. Sollte sie allerdings Entsetzen auslösen, mag einen ja trösten, dass man vorher viele unbeschwerte Jahre gemeinsam erlebt hat.
Ich freue mich mit Euch zusammen gewesen zu sein und gute Aussicht habe, noch mehr Zeit mit Euch zu teilen.
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